2017 Obergericht,AbteilungVersicherungsgericht 50
[...] 5 Art. 92 Abs. 1 UVG; Art. 22 Abs. 2 UVV; Art. 5 Abs. 2 AHVG; Art. 7, Art. 9 Abs. 1 und Art. 13 AHVV Privatanteil eines auch privat genutzten Geschäftswagens und Entschädi- gung für die Benutzung privater Büroräumlichkeiten sind als massgeben- der Lohn nach Art. 5 Abs. 2 AHVG zu qualifizieren und daher zum prä- mienpflichtigen versicherten Verdienst nach Art. 92 Abs. 1 UVG zu zäh- len. Bemessung des Werts des Naturaleinkommens durch Überlassung eines Geschäftswagens auch für private Zwecke mittels der in Rz. 21 ff. der von der Schweizerischen Steuerkonferenz und der Eidgenössischen Steuerverwaltung herausgegebenen Wegleitung zum Ausfüllen des Lohn- ausweises bzw. der Rentenbescheinigung normierten Grundsätze. Ab- grenzung zur Unkostenentschädigung. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 1. Kammer, vom 28. März 2017, i.S. G. AG gegen S. Unfallversicherung (VBE.2016.645). Aus den Erwägungen
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3.
3.1.
3.1.1.
Nach Art. 92 Abs. 1 UVG werden die Prämien von den
Versicherern in Promillen des versicherten Verdienstes festgesetzt.
Als versicherter Verdienst gilt gemäss Art. 22 Abs. 2 UVV - neben
hier nicht interessierenden Ausnahmen nach Art. 22 Abs. 2 lit. a bis d
UVV - der nach der Bundesgesetzgebung über die AHV massge-
bende Lohn.
3.1.2. - 3.1.3.
(Grundsätze zum massgebenden Lohn nach Art. 5 Abs. 2 AHVG
i.V.m. Art. 7 und 9 AHVV)
3.2.
3.2.1.
Unbestrittenermassen stellt die Beschwerdeführerin den Beige-
ladenen je ein Geschäftsfahrzeug (Audi A6 Avant) zur Verfügung.
Dieses darf auch privat verwendet werden, weshalb den Betroffenen
"ein angemessener Privatanteil aufgerechnet" werde. Es ist im
Folgenden zuerst zu prüfen, ob die private Nutzung der beiden ge-
stellten Fahrzeuge als Naturalbezug und damit als massgebender
Lohn zu qualifizieren ist. Je nach Ergebnis ist in einem zweiten
Schritt zu beurteilen, wie ein allfälliger Naturalbezug zu bewerten
ist.
3.2.2.
Der Wert der privaten Nutzung eines zur Verfügung gestellten
Fahrzeugs stellt aus der hier massgebenden sozialversicherungsrecht-
lichen Sicht einen Naturalbezug nach Art. 7 lit. f AHVV dar und ist
folglich zum massgebenden Lohn der Beigeladenen zu rechnen (vgl.
Urteil des Bundesgerichts 9C_8/2016 vom 1. September 2016 E. 4.2;
vgl. auch UELI KIESER, Rechtsprechung zur AHV, 3. Aufl. 2012, N. 158 zu Art. 6 AHVG mit Hinweis).
Der Wert des Naturaleinkommens ist zu schätzen (Art. 13
AHVV), wobei auf Erfahrungszahlen der Steuerbehörden abgestellt
werden kann (HANSPETER KÄSER, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, 2. Aufl. 1996, Rz. 4.116). In diesem
Sinne wird gemäss Rz. 2063 der Wegleitung des Bundesamts für
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Sozialversicherungen (BSV) über den massgebenden Lohn in der
AHV, IV und EO (WML) der private Nutzen des Geschäftswagens
von der Ausgleichskasse gleich bewertet wie von den Steuerbehör-
den. Rechtsprechungsgemäss anwendbar sind die Rz. 21 ff. der von
der Schweizerischen Steuerkonferenz und der Eidgenössischen
Steuerverwaltung herausgegebenen Wegleitung zum Ausfüllen des
Lohnausweises bzw. der Rentenbescheinigung. Danach beträgt der
zu deklarierende Betrag pro Monat 0.8 % des Kaufpreises exklusive
Mehrwertsteuer (vgl. Urteil des Bundesgerichts 8C_465/2009 vom
12. Februar 2010 E. 4.2).
3.2.3.
In diesem Sinne und weil keine erhebliche Einschränkung des
Privatgebrauchs durch fest installierte Vorrichtungen, durch ein Nut-
zungsverbot für Privatfahrten Ähnliches besteht (vgl. Rz. 24 der
Wegleitung zum Ausfüllen des Lohnausweises), hat die Beschwerde-
gegnerin den Wert des Naturaleinkommens durch Überlassen eines
Geschäftswagens für Privatzwecke zutreffend mit monatlich 0.8 %
oder jährlich 9.6 % des Kaufpreises bemessen. Da der Kaufpreis der
beiden Gebrauchtwagen unbestrittenermassen je Fr. 63'796.00 exklu-
sive MwSt. betrug, ist die Aufrechnung von Fr. 6'125.00 nicht zu
beanstanden. Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte
jährliche Anpassung der Berechnungsgrundlage ist vor dem Hinter-
grund der vorerwähnten eindeutigen Regelung nicht möglich. Weiter
nicht gefolgt werden kann der Beschwerdeführerin und den Beige-
ladenen, wenn diese eine abweichende Qualifikation der Steuerbe-
hörden anführen. Zum einen ist eine solche nicht aktenkundig. Im
Gegenteil vermerkte der Revisionsexperte der S. Unfallversicherung,
die vorgenommene Aufrechnung erfolge "auch nach Rücksprache
mit [dem] Steueramt X.". Zum anderen ist die vorerwähnte sozial-
versicherungsrechtliche Qualifikation der privaten Nutzung gestellter
Fahrzeuge eindeutig. Hinzu kommt, dass die Beigeladenen in ihren
Stellungnahmen vom 17. März 2017 (in Übereinstimmung mit der
Beschwerdeführerin; vgl. vorne E. 3.2.1.) angeben, in ihren jewei-
ligen Lohnausweisen sei eine entsprechende Aufrechnung ebenfalls
vorgenommen worden.
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3.3.
3.3.1.
Weiter richtet die Beschwerdeführerin den Beigeladenen unbe-
strittenermassen eine Entschädigung für die Benutzung privater
Büroräumlichkeiten von jährlich Fr. 3'000.00 respektive Fr. 3'600.00
aus. Streitig ist die Qualifikation dieser Entschädigung.
3.3.2.
Nach Art. 9 Abs. 1 AHVV sind Unkosten Auslagen, die dem Ar-
beitnehmer bei der Ausführung seiner Arbeiten entstehen. Unkosten-
entschädigungen gehören nicht zum massgebenden Lohn. Für die
Annahme des Unkostencharakters von Aufwendungen ist ein Kausal-
zusammenhang mit der Berufstätigkeit und eine strikte Notwendig-
keit für die Einkommenserzielung notwendig (vgl. KIESER, Recht- sprechung zur AHV, a.a.O., N. 174 zu Art. 6 AHVG; vgl. auch Urteil
des Eidgenössischen Versicherungsgerichts H 290/99 vom 9. Mai
2001 E. 5a). Zu den Unkosten zählen namentlich Kosten für die
Benützung von Räumlichkeiten, soweit diese der Erwerbstätigkeit
dienen (vgl. Rz. 3003 der WML und PETER FORSTER, AHV- Beitragsrecht, Diss. 2007, S. 80). Die Notwendigkeit ergibt sich da-
bei insbesondere bei Arbeitnehmenden, welche grundsätzlich im
Aussendienst arbeiten und nur periodisch zur Berichterstattung oder
zur Entgegennahme von Weisungen beim Arbeitgeber vor Ort sind
(vgl. KÄSER, a.a.O., Rz. 4.147). 3.3.3.
Die Beschwerdeführerin und die Beigeladenen machen geltend,
die Beigeladenen seien auf die fraglichen Räumlichkeiten angewie-
sen, weil sie neben ihrer Tätigkeit für die Beschwerdeführerin auch
für die A. AG mit Sitz in B. tätig seien. Die privaten Büros in C. und
D. lägen geographisch ziemlich genau in der Mitte, was die Arbeits-
einsätze erleichtere, zumal der künftige Sitz beider Unternehmen
nach Fertigstellung eines Neubaus in C. sein werde. Dies ist indes für
die Begründung der geforderten Notwendigkeit nicht ausreichend.
Die beiden Betroffenen haben unbestrittenermassen Büroräumlich-
keiten am Sitz der Beschwerdeführerin zur Verfügung. Ihre Situation
ist damit keinesfalls vergleichbar mit Personen, welche aufgrund
ihrer Tätigkeit aus anderen Gründen keine fixen Arbeitsplätze
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zur Verfügung gestellt bekommen. In diesem Sinne sind die
Beigeladenen auf die Arbeitsplätze an ihren Privatwohnsitzen nicht
zwingend angewiesen, sondern benutzen diese aus zwar nach-
vollziehbaren, hier aber nicht massgebenden - Annehmlichkeits-
gründen. Die Beschwerdegegnerin ist daher zu Recht davon ausge-
gangen, dass die dafür ausgerichteten Entschädigungen von jährlich
Fr. 3'000.00 respektive Fr. 3'600.00 nicht als Unkostenentschädigun-
gen zu qualifizieren und daher dem massgebenden Lohn der Beigela-
denen zuzurechnen sind. Der Umstand, dass die Benutzung privater
Büroräumlichkeiten im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit
eine mögliche organisatorische Erleichterung darstellt, vermag an
diesem Umstand nichts zu ändern.
3.4.
Zusammenfassend ergibt sich damit, dass die Beschwerde-
gegnerin sowohl den Privatanteil für die Geschäftswagen von je
Fr. 6'125.00 pro Jahr als auch die für die Benutzung privater Bü-
roräumlichkeiten ausgerichteten Entschädigungen von Fr. 3'000.00
respektive Fr. 3'600.00 pro Jahr richtigerweise zum massgebenden
Lohn nach Art. 5 Abs. 2 AHVG und damit zum prämienpflichtigen
versicherten Verdienst der Beigeladenen nach Art. 92 Abs. 1 UVG
gerechnet hat.
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